Deutsche Wasserwirtschaft: die EU-Trinkwasserrichtlinie und der Weg des risikobasierten Ansatzes

Als erste europäische Bürgerinitiative überreichte die Kampagne „Right2Water“ der EU-Kommission über eine Millionen Unterschriften mit dem Ziel, die Mitgliedstaaten zu zwingen, sauberes Trinkwasser und sanitäre Grundversorgung für alle bereitzustellen. Die Initiative stieß damit u.a. einen umfangreichen Prozess der Erneuerung der EU-Trinkwasserrichtlinie 98/83/EG von 1998 an. Nach langen Verhandlungen trat die neue EU-Trinkwasserrichtlinie (EU) 2020/2184 (TW-RL) am 12. Januar 2021 in Kraft, ihre Neuerungen gelten seit dem 12. Januar 2023. Die Umsetzung in deutsches Recht erfolgte und erfolgt in verschiedenen Schritten über Änderungen insbesondere im Wasserhaushaltsgesetz, Infektionsschutzgesetz und der Trinkwasserverordnung.

Die wohl umfassendste Neuerung der Trinkwasserrichtlinie ist die Einführung des risikobasierten Ansatzes für die gesamte Produktionskette beginnend bei den Einzugsgebieten der Entnahmestellen über die Versorgungssysteme bis hin zu den Hausinstallationen (vgl. Art. 7 Abs. 1 TW-RL). Nach ihrer Einführung müssen Risikobewertung und Risikomanagement (spätestens) alle sechs Jahre überprüft und bei Bedarf aktualisiert werden (Art. 7 Abs. 4 bis 6 TW-RL).

Klimawandel und Wasserressourcen

Der risikobasierte Ansatz soll sich nicht auf bloße Überwachungsaspekte beschränken. Ziel ist vielmehr, Zeit und Ressourcen auf relevante Risiken und kostenwirksame Maßnahmen am Ursprung zu konzentrieren sowie Analysen und Anstrengungen für nicht relevante Fragen zu vermeiden. Dabei sollen insbesondere die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserressourcen effektiver berücksichtigt werden (ErwGr. 15 TW-RL). Dies entspricht auch dem Ansatz des Multi-Barrieren-Prinzips, das die deutsche Wasserwirtschaft seit Jahren verfolgt und durch das technische Regelwerk und die DIN in Bezug auf die Leitlinien für das Risiko- und Krisenmanagement festgehalten wurde.

Auch die nationale Wasserstrategie verfolgt den risikobasierten Ansatz. Er soll bei der Entwicklung bundesweit einheitlicher konzeptioneller Leitlinien Berücksichtigung finden, mit dem Ziel, die Verwaltungen und Infrastrukturbetreiber bei der langfristigen sektorenübergreifenden Infrastrukturgestaltung zu unterstützen. Diese Leitlinien sollen Hinweise zur Anwendung von Klimaresilienz, Ressourcenschonung, Sektorenkopplung und Multifunktionalität bei der Gestaltung von Infrastrukturen (differenziert nach wasserwirtschaftlichen Infrastrukturbereichen) geben.

Inhalt des risikobasierten Ansatzes

Grundsätzliche Bestandteile des risikobasierten Ansatzes sind die Risikobewertung und das Risikomanagement. Beide Begriffe sind in der Trinkwasserrichtlinie jeweils separat nach dem Bereich, auf den sie sich beziehen, in den Artikeln 8 bis 10 ausgestaltet. Die Risikobewertung umfasst zunächst die Charakterisierung der Bereiche inkl. der Identifikation von Gefährdungen und der Auswahl von Überwachungsmaßnahmen. Die Risikomanagementmaßnahmen basieren nach der Konzeption der Trinkwasserrichtlinie auf der zuvor erfolgten Risikobewertung. Bei diesen geht es wiederum je nach Bereich um die Verhinderung oder Beherrschung von Risiken durch Maßnahmen zur Prävention, Minderung oder Überwachung. Im Detail weichen die durch die Trinkwasserrichtlinie vorgesehenen Maßnahmen je nach Bereich mitunter stark voneinander ab, lassen bei der Umsetzung aber auch einigen Spielraum. Dies gilt umso mehr, als Art. 7 Abs. 2 den Mitgliedstaaten das Recht gibt, die Anwendung des risikobasierten Ansatzes an Einschränkungen durch geografische Gegebenheiten anzupassen. Die einzelnen Bereiche unterliegen dabei unterschiedlichen Umsetzungsfristen. Eine Übersicht gibt die nachfolgende Tabelle.

Risikobewertung Risikomanagement
Einzugsgebiete von Entnahmestellen von Wasser für den menschlichen Gebrauch Umzusetzen spätestens bis zum 12. Juli 2027

Details nach Art. 8 TW-RL

Systeme für Entnahme, Aufbereitung, Speicherung und Verteilung (Versorgungssysteme) Umzusetzen spätestens bis zum 12. Januar 2029

Details nach Art. 9 TW-RL

Hausinstallationen Umzusetzen spätestens bis zum 12. Januar 2029

Details nach Art. 10 TW-RL

Nicht erforderlich

Was sollten Wasserversorger unternehmen?

Um die Anforderungen der Risikobewertung und des Risikomanagements ab 2027 bzw. 2029 zu erfüllen, sollten sich Wasserversorgungsunternehmen frühzeitig mit dem Thema auseinandersetzen. So können sie sich mit den Gesundheitsämtern abstimmen, um entsprechende Vorkehrungen zu treffen und die Integration in das Risikomanagement des Unternehmens organisieren.

Ansprechpartner: Tobias Sengenberger/Beate Kramer/Carolin Mießen

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