Führungsholding ist vorsteuerabzugsberechtigt und die deutschen Vorschriften zur umsatzsteuerlichen Organschaft sind europarechtswidrig

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Die deutschen Regeln zur umsatzsteuerlichen Organschaft sind mit den Vorgaben des Europarechts nicht vereinbar. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschieden (Urt. v. 16.7.2015, C‑108/14, C‑109/14), nachdem ihm der Bundesfinanzhof (BFH) Fragen zum Vorsteuerabzug und zur umsatzsteuerlichen Organschaft vorgelegt hatte (v. 11.12.2013, XI R 17/11; XI R 38/12).

Nach Ansicht des EuGH erbringt eine Führungsholding, im Gegensatz zu einer Finanzholding, gegenüber ihren Tochtergesellschaften entgeltliche administrative und kaufmännische Dienstleistungen. Damit wird die Führungsholding unternehmerisch tätig und ist zum Vorsteuerabzug berechtigt. Sie kann sogar vollumfänglich die Vorsteuer aus den bezogenen Eingangsleistungen geltend machen, auch wenn Teile davon sich auf den nicht steuerbaren Erwerb und das Halten der Beteiligung beziehen. Sie muss den Vorsteuerabzug nur dann aufteilen, wenn sie auch steuerfreie Umsätze erbringt. Über den Aufteilungsschlüssel muss der BFH entscheiden.

Anders als die deutschen Vorschriften (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) beschränkt das Europäische Recht (Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL) die Organschaft nicht auf juristische Personen. Danach können auch Personengesellschaften als Organgesellschaft fungieren. Auch das nach deutschem Verständnis erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis, das durch die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung in den Organträger zum Ausdruck kommen soll, hat im Europäischen Recht keine Grundlage. Dort ist eine enge Verbindung ausreichend. Nur wenn die bisherigen deutschen Vorschriften der Bekämpfung der Steuerhinterziehung dienen, könnten sie Bestand haben. Das muss jetzt ebenfalls der BFH entscheiden.

Abschließend stellte der EuGH fest, dass Unternehmer in den hier beschriebenen Konstellationen sich nicht direkt auf das für sie günstigere europäische Recht berufen können.

Ansprechpartner: Manfred Ettinger/Christian Fesl

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