Steuerlicher Querverbund als Beihilfe: Jetzt liegt der Ball in Luxemburg

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Ist der steuerliche Querverbund eine unzulässige Beihilfe? Dazu hat der Bundesfinanzhof (BFH) kürzlich einen Vorlagebeschluss veröffentlicht (v. 13.3.2019, Az. I R 18/19). Die Folge: Jetzt liegt das Kind im Brunnen – und zwar nach erstem Anschein ziemlich tief. Und niemand kann wirklich behaupten, es sei nicht vorhersehbar gewesen. Denn der BFH hat in der Vergangenheit keinen Hehl daraus gemacht, dass er die körperschaftsteuerlichen Regelungen zum steuerlichen Querverbund ziemlich kritisch sieht.

Schon in seinem Urteil Bedburg-Hau (v. 22.8.2007, Az. I R 32/06) hätte der BFH dem System des steuerlichen Querverbunds fast den Garaus gemacht. Die Folgen für die kommunalen Unternehmen konnten nur durch die prompte Reaktion des Gesetzgebers verhindert werden. Jetzt hat der 1. Senat des BFH nachgelegt. Nun ist es Sache des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), über den Fortbestand des steuerlichen Querverbunds zu entscheiden – jedenfalls in bestimmten Konstellationen.

Vor Gericht und auf hoher See befindet man sich bekanntlich in Gottes Hand, und das gilt auch für den EuGH. Allerdings ist die Sache in ihren beihilfenrechtlichen Konsequenzen nicht so klar, wie der BFH sich das möglicherweise vorstellt. Schon die Vorlagefrage ist zu Recht deutlich vorsichtiger formuliert als die Postulate, die als Zwischenergebnisse an verschiedenen Stellen der Begründung aufscheinen. Anders als der BFH in den Randnummern (Rn.) 47 und 77 seines Beschlusses unterstellt, wird der EuGH nicht feststellen können, dass die Existenz der Norm § 8 Abs. 7 KStG n.F. per se eine Beihilfe darstellt. Beihilfen sind in den seltensten Fällen Rechtsnormen in ihrer bloßen Existenz, sondern prinzipiell nur Maßnahmen, die entweder von einem Mitgliedstaat vorgenommen werden oder diesem zuzurechnen sind, und die dazu führen, dass bei einem Unternehmen im europarechtlich-funktionalen Sinne ein selektiver und wettbewerbsrelevanter Vorteil entsteht. Rechtsnormen sind meistens nur die Grundlage solcher Maßnahmen und deshalb nicht selbst Prüfungsgegenstand.

Ebenfalls nicht Prüfungsgegenstand ist die abstrakte Möglichkeit, bestimmte Dauerverluste mit betrieblichen Gewinnen steuerwirksam zu verrechnen (so BFH-Beschluss, Rn. 42), sondern der bei einem bestimmten Unternehmen dadurch eintretende wirtschaftliche Vorteil (so zutreffend BFH-Beschluss, Rn. 51). Nur in dieser konkreten Verschaffung eines wirtschaftlichen Vorteils für ein oder mehrere selektiv abgrenzbare Unternehmen kann eine Beihilfe liegen.

Diese Vorteile sind aber nicht selten für bestimmte Gruppen von Vergünstigungen (vgl. VO (EU) 651/2014) oder Wirtschaftssektoren vom Beihilfenverbot freigestellt oder gerechtfertigt. Eine solche allgemeine Rechtfertigung bestimmter Beihilfen enthält insbesondere die VO (EG) 1370/2007 für den Sektor des öffentlichen Personennahverkehrs. Wer dort einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag übernimmt und dafür Ausgleichsleistungen erhält, hat beihilfenrechtlich nichts zu befürchten; die Leistungen brauchen nicht einmal bei der Europäischen Kommission notifiziert zu werden (vgl. Art. 9 Abs. 1 VO (EG) 1370/2007), gleich über welchen Zuwendungsmechanismus sie vermittelt werden. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Ausgleich an den ÖPNV-Betreiber durch einen Zahlungsvorgang oder eine steuerwirksame Ergebnisverrechnung geschieht.

Auch ist anzumerken, dass gerade bei Schwimmbädern in der Europäischen Union die  Kommission in der Vergangenheit durchaus als rein lokale Projekte per se die Frage einer Wettbewerbsverzerrung im Binnenmarkt verneint hatte, anschaulich hierzu ist der Beschluss N 258/00 (Freizeitbad Dorsten). Dennoch scheint die Kommission auch von dieser festen früheren Linie  abzuweichen, wie im Beschluss Kristall Bäder AG (SA.33045) deutlich wird, in dem die Kommission die Erfüllung der Beihilfekriterien und insbesondere eine grenzüberschreitende Wettbewerbsverzerrung annimmt, gleichwohl unter Anwendung der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung die Zulässigkeit bejaht.

Vor diesem Hintergrund ist insgesamt nicht zu befürchten, dass die angestoßene EuGH-Entscheidung die öffentlichen Daseinsvorsorgefinanzierung über den steuerlichen Querverbund komplett vernichten wird. Vielmehr wird es sehr differenziert darauf ankommen, ob der der wirtschaftliche Vorteil aufgrund einer Ergebnisverrechnung nach § 8 Abs. 7 KStG unter einen beihilfenrechtlichen Freistellungs- oder Legalisierungstatbestand fällt oder nicht. Daher wird man in Zukunft sehr genau darauf achten müssen, dass sich der beihilfenrechtliche Legalisierungstatbestand und der steuerliche Vorteil decken.

Dessen ungeachtet hätten alle diese Unsicherheiten für kommunale Unternehmen, die durch den Vorlagebeschluss des BFH nun entstehen, vermieden werden können, wenn die Bundesregierung die beihilfenrechtliche Zulässigkeit der gesetzlichen Neuregelung zum steuerlichen Querverbund (§ 4 Abs. 6 und § 8 Abs. 7 und 9 KStG) noch vor Inkrafttreten am 1.1.2009 mit der Europäischen Kommission geklärt hätte.

Ansprechpartner: Rudolf Böck/Dr. Dörte Fouquet/Meike Weichel

PS: Sie interessieren sich für dieses Thema, dann schauen Sie gern hier (Bäderforum) und hier (ÖPNV-Fachtagung).

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