Gesetzesvorhaben: Das Kinderlebensmittel-Werbegesetz

Am 27. 2.2023 hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Pläne für klare und verbindliche Regeln für Lebensmittelwerbung (Kinderlebensmittel-Werbegesetz) vorgestellt, die sich an Kinder bis 14 Jahren richtet. Es geht um ein Verbot von Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt. Nach dem Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir soll das Gesetz Kinder schützen und Eltern in ihrem Alltag entlasten und stärken. Man wolle damit Übergewicht, Adipositas und andere ernährungsbedingte Krankheiten präventiv bekämpfen. Wann der Zucker-, Fett- oder Salzgehalt eines Lebensmittels zu hoch ist, soll sich an den Anforderungen des Nährwertprofilmodells der WHO orientieren.

Welche Medien sind betroffen?

Der bislang nicht veröffentlichte Referentenentwurf sieht Regelungen vor, die Werbung in für Kinder relevanten Medien verbieten. Erfasst werden sollen Hörfunk, Presse oder andere gedruckte Veröffentlichungen, Internetseiten, Fernsehen und soziale Netzwerke wie Instagram, TikTok, YouTube usw. Auch Influencermarketing und Außenwerbung sollen berücksichtigt werden.

Der zunächst sehr streng gesetzte Rahmen für Werbung im TV wurde nach ersten Verhandlungen präzisiert. Beispielsweise wurden die Zeiten, zu denen Werbeverbote im Fernsehen gelten sollten (ursprünglich von 6 bis 23 Uhr), verringert. Das Verbot solle stattdessen werktags von 17 bis 22 Uhr (samstags zusätzlich von 8 bis 11 Uhr) und sonntags von 8 bis 22 Uhr gelten. Für Werbung im Radio wolle man auf eine Regelung der Sendezeit verzichten.

Gemischte Resonanz

Die geplanten Verbote für die Werbetreibenden dürften schwerwiegende Änderungen nach sich ziehen. Einem juristischen Gutachten von Professor Dr. Martin Burgi zufolge, welches er im Auftrag des Lebensmittelverbands und des Zentralverbands der Deutschen Werbewirtschaft erstellt hat, wären innerhalb des Gesetzes Verbote enthalten, welche die Werbung für ca. 70 bis 80 Prozent aller Lebensmittel erfassen.

Das geplante Gesetz wird heftig kritisiert. Unter anderem hat der Lebensmittelverband Deutschland das Vorgehen des BMEL als beispiellos bezeichnet, da man erstmals ein Werbeverbot für Produkte verhänge, „deren Herstellung und Vertrieb in keiner Weise verboten ist und die als solche auch nicht gesundheits- oder lebensgefährdend sind“. Der Referentenentwurf sehe massive Einschränkungen der Kommunikations- und Wirtschaftsfreiheiten vor, welche einen Eingriff darstellten, der auf dem Boden der Verfassung und des Europarechts nicht möglich sei.

Nach einem Bericht der Lebensmittelzeitung drohen der deutschen Wirtschaft Schäden in Milliardenhöhe, wenn das geplante Gesetz tatsächlich in Kraft treten sollte. Der Bitkom e. V. mahnt in einem Positionspapier zur unbedingten Wahrung der Verhältnismäßigkeit, da nach seiner Ansicht das Verbot einen starken regulatorischen Eingriff in den Markt darstelle, der massive Umsatzverluste mit sich bringen werde.

Das BMEL wiederum stellt klar, dass lediglich Produkte betroffen sein sollen, die zu viel Zucker, Fett oder Salz enthalten. Zudem wolle man kein allgemeines Werbeverbot durchsetzen, sondern Werbetreibenden lediglich verbieten, ihre Werbung gezielt an Kinder zu richten. Unterstützung erhält das BMEL unter anderem von Verbraucherverbänden, die schon seit geraumer Zeit ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel fordern. Ebenso teilt die Stiftung Kindergesundheit den Standpunkt des BMEL.

Auch weitergehende Fragen müssen noch geklärt werden

Neben dem weiteren Verlauf und der genauen Ausgestaltung des Gesetzes besteht auch darüber hinaus Klärungsbedarf. So stellt sich unter anderem die Frage, wie eine Überprüfung und Sanktionierung von Werbung, die gegen das neue Gesetz verstößt, geregelt werden soll. Außerdem wird es sich nicht vermeiden lassen, dass das Gesetz Schnittpunkte mit bereits existierenden Regelungen aufweist. So wird Werbung, die gegen das Kinderlebensmittel-Werbegesetz verstößt, regelmäßig auch gegen Marktverhaltensregeln verstoßen, sodass auch der Weg ins Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geebnet ist.

Ansprechpartner: Stefan Wollschläger/David Funk

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