Erster Entwurf: Nationale Förderrichtlinie für Klimaschutzverträge

Die Ankündigung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, die Transformation der Industrie hin zu einer klimafreundlichen Produktion gezielt durch staatliche Fördermittel zu unterstützen, hat Anfang des Monats für Schlagzeilen gesorgt. Nachdem das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bereits im Mai 2022 ein Interessenbekundungsverfahren zum Thema Carbon Contracts for Difference (CCfD) durchgeführt hatte, wartete die deutsche Industrie gespannt auf die Konkretisierung dieser Pläne.

Nun liegt ein erster Entwurf der nationalen Förderrichtlinie für Klimaschutzverträge vor, nach dem die Transformationskosten, die den begünstigten Rechtsträgern entstehen, durch staatliche Zuwendungen finanziert werden sollen. Profitieren von den Klimaschutzverträgen sollen vor allem Großanlagen der Grundstoffindustrie mit besonders hohem Einsparungspotenzial an Treibhausgasemissionen. Mittelbar zielt die Richtlinie aber auch auf die Förderung des Innovationsstandorts Deutschland und der Marktfähigkeit neuer Technologien im Bereich der Dekarbonisierung ab. Kolportiert wird ein Fördervolumen im zweistelligen Milliardenbereich.

Was sind Klimaschutzverträge?

Das Konzept der Klimaschutzverträge beruht auf den bereits genannten Differenzverträgen oder CCfD, die für den Bereich der klimaschutzpolitischen Transformation am CO2-Preis ausgerichtet werden. Dabei übernimmt die öffentliche Hand die Mehrkosten, die Unternehmen durch die Errichtung (CAPEX – „capital expenditures“) und den Betrieb (OPEX – „operational expenditures“) von klimafreundlicheren Anlagen im Vergleich zu herkömmlichen Industrieanlagen entstehen. Die Förderung soll also dort ansetzen, wo ein zentrales Problem der Abkehr von fossilen Energieträgern liegt: Aufgrund hoher Kostenintensität sind klimafreundliche Produktionsverfahren häufig noch immer mit Wettbewerbsnachteilen verbunden.

Geplant ist, dass dem Abschluss eines Klimavertrages ein durch einen Förderaufruf eingeleitetes Gebotsverfahren vorausgeht. Nach erteiltem Zuschlag für ein Gebot soll ein Zuwendungsbescheid durch die administrierende Stelle ergehen, auf dessen Grundlage der Klimaschutzvertrag zur näheren Ausgestaltung des Zuwendungsverhältnisses geschlossen wird. Die Vertragslaufzeit ist in dem Richtlinienentwurf auf 15 Jahre angesetzt.

Um während der Vertragslaufzeit etwaige Überkompensationen und eine daraus folgende überschießende Belastung des staatlichen Haushalts zu vermeiden, ist eine Rückzahlungspflicht für den Fall einer negativen Differenz zwischen dem Basis-Vertragspreis – dem für die Abdeckung der Mehrkosten je Tonne vermiedener Treibhausgasemissionen veranschlagten Betrag – und dem effektiven CO2-Preis vorgesehen. Dem Richtlinienentwurf wohnt insofern ein ausgeprägter Effizienzgedanke inne.

An wen richtet sich die Förderrichtlinie?

Als mögliche Antragsberechtigte adressiert der Entwurf der Förderrichtlinie neben privatrechtlichen Unternehmen – so weit wirtschaftlich tätig – ausdrücklich auch Kommunen, kommunale Eigenbetriebe, kommunale Unternehmen und kommunale Zweckverbände.

Bezüglich der begünstigten Sektoren wird auf die Tätigkeiten Bezug genommen, die im Anhang I der europäischen Emissionshandelsrichtlinie 2003/87/EG aufgeführt sind. Gefördert werden soll die Herstellung von Produkten, die eine „äquivalente Funktionalität“ erbringen wie Produkte aus diesen Tätigkeiten, also Herstellungsverfahren, die bei gleichem Output wie dem der in der Richtlinie erfassten Tätigkeiten mit möglichst keinem Ausstoß von Treibhausgasen verbunden sind. Dabei muss es sich um Tätigkeiten handeln, die unmittelbar der Herstellung industrieller Produkte dienen, und nicht etwa um die Produktion in Anlagen, die Brennstoffe überwiegend zur Erzeugung von Sekundärenergieträgern nutzen (z.B. Strom, Fernwärme, Mineralölprodukte, Kraftstoffe oder Wasserstoff).

Welche Vorhaben kommen für die Förderung in Betracht?

Um zu bestimmen, welche Anlagenkonstellation förderungswürdig ist, soll mit einem sogenannten Referenzsystem ermittelt werden, ob der Einsatz der transformativen Technologien zu einer deutlichen Reduktion von Treibhausgasemissionen führt und wie hoch die Kostendifferenz ausfällt, die sich daraus ergibt. „Referenzsystem“ beschreibt dabei die im jeweiligen Marktsegment zum Zeitpunkt des Förderaufrufs technologisch dominierende Anlagenkonstellation.

Als Mindestanforderung sieht der Entwurf der Förderrichtlinie eine relative Treibhausgasminderung von 50 Prozent am Ende des ersten Jahres und von 60 Prozent im zweiten Jahr nach dem operativen Beginn des Vorhabens vor. Insgesamt soll mit der verwendeten Technologie bei Einsatz entsprechender Energieträger und Rohstoffe eine relative Treibhausgasemissionsminderung von 95 Prozent gegenüber dem Referenzsystem technisch möglich sein. In Frage kommt dabei die Verwendung von grünem oder blauem Wasserstoff, Wasserstoff-Derivaten, Strom aus erneuerbaren Quellen sowie sekundär auch von Biomasse und Technologien zur Abtrennung und Speicherung (carbon capture and storage) bzw. zur langfristigen Produktbindung oder Kreislaufführung von CO2 (carbon capture and utilization).

Damit die genannten Prozentangaben auch den gewünschten hohen Einspareffekt nach sich ziehen, wird ferner die Überschreitung einer Mindestgröße der absoluten durchschnittlichen jährlichen Treibhausgasemissionen im Referenzsystem vorausgesetzt (mindestens 30 kt CO2-Äquivalente pro Jahr).

Zu beachten ist die Standortbindung der Förderung. Gefördert werden sollen nach dem Entwurf nur solche Produktionsmengen, für die sämtliche wesentliche zur Herstellung erforderlichen Produktionsschritte – inklusive der Herstellung von Prozesswärme – durch den Antragsteller selbst an den vom Klimaschutzvertrag umfassten Standorten in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werden.

Genehmigung durch EU-Kommission

Vor dem Hintergrund des zunehmenden Wettbewerbsdrucks gegenüber Staaten, die – wie etwa die USA mit dem Inflation Reduction Act – zur Transformation massiv auf staatliche Förderungen setzen, ist der Entwurf sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Um den Anwendungsbereich wird es aber noch intensive Diskussionen zwischen der Bundesregierung und der transformationsgewillten Industrie geben. In jedem Fall bedarf die Förderrichtlinie, bevor sie in Kraft treten kann, noch der beihilferechtlichen Genehmigung durch die Europäische Kommission. Zunächst aber soll der Entwurf bei den Verbänden konsultiert werden. Dem Vernehmen nach plant das BMWK mit einem Inkrafttreten im ersten Halbjahr 2023.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

Weitere Ansprechpartner*innen: Dr. Martin Altrock/Vera Grebe (BBH); Dr. Hanno Butsch/David Siegler (BBHC)

PS: Diskutieren Sie gerne mit uns die Inhalte und Auswirkungen der Neuerungen in unserem Webinar: Klimaschutzverträge: Game Changer für klimafreundliche Technologien in der Industrie?

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