Rumpelstilzchen lässt grüßen: Wie aus Klärschlamm Gold werden soll…

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Kennen Sie die Insel Nauru? In den siebziger Jahren erlangte das Eiland Bekanntheit, weil seine Einwohner unermesslich reich waren. Nicht, weil sie so fleißige Arbeiter waren, nein, sie haben überhaupt gar nicht gearbeitet. Denn ihre Insel bestand zu einem großen Teil aus reinem Phosphat, einem der wichtigsten Bestandteile von Pflanzendünger. Angeblich wurde es zeitweise mit Gold aufgewogen. Das Phosphat entstand aus Vogelkot, den Millionen von Seevögeln über die Jahrtausende auf die Insel niederregnen ließen.

Die Geschichte der winzigen Pazifikinsel zeigt, dass sich wertvolle Stoffe auch dort finden, wo man sie nicht auf den ersten Blick vermutet, zum Beispiel in Vogelkot oder auch im Klärschlamm. Er enthält Phosphor und Phosphorverbindungen, wichtige Bausteine aller Lebewesen. Menschen, Tiere und Pflanzen sind ohne Phosphor nicht denkbar. Viel zu schade also, den im Klärschlamm enthaltenen Phosphor ungenutzt verschwinden zu lassen? Ja – so jedenfalls steht es im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode: „Wir werden die Klärschlammausbringung zu Düngezwecken beenden und Phosphor und andere Nährstoffe zurückgewinnen.“

Und nun, kurz vor dem Ende der 18. Legislaturperiode, hat die Bundesregierung am 18.1.2017 die Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung (Neufassung der Klärschlammverordnung – AbfKlärV) im Kabinett beschlossen.

Phosphor soll aus Klärschlämmen und Klärschlammverbrennungsaschen zurückgewonnen werden. Die neue Pflicht zur Rückgewinnung von Phosphor soll gemäß dem Regierungsentwurf 12 Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung für Abwasserbehandlungsanlagen mit einer Ausbaugröße über 100.000 Einwohnerwerten und 15 Jahre nach Inkrafttreten für Anlagen mit einer Ausbaugröße über 50.000 Einwohnerwerten greifen. Eine Übergangsphase von 12 bzw. 15 Jahren erscheint auf den ersten Blick lang, zumal über das Phosphorrückgewinnungsgebot und den Verordnungsentwurf schon seit Längerem diskutiert worden ist und ursprünglich kürzere Fristen vorgesehen waren. Etablierte Technologien für eine wirtschaftliche Phosphorrückgewinnung gibt es indes noch nicht. Die Bundesregierung vertraut insoweit auf den Innovationsgeist deutscher Ingenieure und möchte „genügend Spielraum für den Einsatz oder die Entwicklung innovativer Rückgewinnungsverfahren (…) lassen“. Nicht unterschätzt werden sollten aber auch andere Herausforderungen. Planungs- und Genehmigungsverfahren von Klärschlammverbrennungsanlagen benötigen vor dem Hintergrund des deutschen Rechtsrahmens ihre Zeit. Und bevor mit diesen Verfahren begonnen wird, werden sich Kooperationen von Abwasserentsorgern „zusammenfinden“ müssen. Denn nur die wenigsten Abwasserentsorger in Deutschland sind groß genug, um sich der Herausforderung allein zu stellen.

Zudem dürfen Abwasserentsorger auf dem Weg zur Phosphorrückgewinnung Art. 1 des vorgelegten Verordnungsentwurfs nicht übersehen, sofern sie ihren Klärschlamm derzeit noch nicht verbrennen (lassen). Zwar gibt es bereits jetzt umfassende Untersuchungs-, Dokumentations- und sonstige Pflichten von Abwasserentsorgern im Falle der landwirtschaftlichen Verwertung. Diese werden zum einen auf die Verwertung bei Maßnahmen des Landschaftsbaus erweitert und zum anderen umfassend neu geregelt (und in den seltensten Fällen schreiben umfassende Neuregelungen den Status quo fest). Klar ist jetzt schon: so einfach wie im Falle der Insel Nauru wird es damit wohl nicht. Bleibt also die Hoffnung, dass Rumpelstilzchen wie im Grimm’schen Märchen um die Ecke kommt und uns – im übertragenen Sinne – zeigt, wie sich Stroh zu Gold spinnen lässt.

In jedem Falle halten wir Sie über den Fortgang des parlamentarischen Verfahrens wie auch über die Fortschritte bei der Entwicklung der „innovativen Rückgewinnungsverfahren“ auf dem Laufenden.

Ansprechpartner Abfall: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann

Ansprechpartner Abwasser: Daniel Schiebold/Beate Kramer

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