Marktverfügbarkeit intelligenter Messsysteme: Mehr Flickenteppich als Rollout

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Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat am 31.1.2020 gemäß § 30 MsbG die Marktverfügbarkeit von intelligenten Messsystemen (iMS) festgestellt. Obwohl die aktuell verfügbare Gerätetechnik nur über einen eingeschränkten Funktionsumfang verfügt und damit hinter den ursprünglichen Vorstellungen des Gesetzgebers zurückbleibt, beginnt damit offiziell der Rollout von iMS. Kritik besteht zu den derzeitigen iMS mit Blick auf die Umsetzung von nur wenigen Tarifanwendungsfällen, der Fehlen der Möglichkeit  zur Steuerung von Lasten und die umfassende Interoperabilität von Zählern, Gateways, Gateway-Administratoren und GWA-Software.

Die Auswirkungen des Rollouts sind erheblich: Grundzuständige Messstellenbetreiber (gMSB) in Netzen der allgemeinen Versorgung und in geschlossenen Verteilernetzen müssen in den von der Einbaupflicht erfassten Messlokationen iMS verbauen und hierbei gesetzlich vorgeschriebene Rolloutquoten erfüllen. Zugleich dürfen konventionelle Messsysteme nicht bzw. nur noch eingeschränkt verbaut und verwendet werden.

Das BSI hat die Marktverfügbarkeit dabei nicht pauschal, sondern nur für die Einbaugruppen aller Letztverbraucher an Zählpunkten in der Niederspannung mit einem Jahresstromverbrauch von höchstens 100.000 kWh erklärt. Es sind also insbesondere keine Einspeiser (EEG-/KWKG-Anlagenbetreiber) erfasst. Das dürfte auf die Effizienz des Rollouts erhebliche negative Auswirkungen haben. Für die gMSB in Industrie- und Arealnetzen ist ein wichtiger Aspekt hervorzuheben: Von der Einbaupflicht für iMS ausgenommen sind alle Messlokationen, an denen (unabhängig vom Jahresverbrauch) eine registrierende Leistungsmessung (RLM) zum Einsatz kommt.

Bedauerlich ist, dass die Marktverfügbarkeitserklärung allein schon wegen ihres eingeschränkten Umfangs wenig aussagekräftig ist. Dazu gehören übrigens so grundsätzliche Fragen wie der Beginn des Zeitraums für den Pflicht-Rollout.

Rein formal stellt die Marktverfügbarkeitserklärung eine Allgemeinverfügung dar und wird deshalb nicht jedem Adressaten auch noch gesondert zugestellt. Die Verfügung gilt mit dem 17.02.2020 als bekannt gegeben. Rechtsmittel müssten wegen der zu beachtenden Monatsfrist daher spätestens am 17.03.2020 erhoben werden.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass das BSI zur Gewährleistung eines (zeitlich) einheitlichen Rollouts die sog. sofortige Vollziehung angeordnet hat. Das heißt, dass Rechtsmittel – wie von Festlegungen der BNetzA bekannt – zunächst keine aufschiebende Wirkung haben; die Verfügung muss also grundsätzlich auch dann umgesetzt werden, wenn Rechtsmittel erhoben sind. Allerdings kann die aufschiebende Wirkung gerichtlich (wieder) hergestellt werden.

Es verbleibt ein ernüchterndes Fazit: Wer erwartet hat, dass mit der Marktverfügbarkeitserklärung die Chance genutzt wird, für mehr Rechts- und Investitionssicherheit zu sorgen, insbesondere Fragen beantwortet werden, die das Messstellenbetriebsgesetz offen gelassen hat, dürfte enttäuscht sein.

Ansprechpartner: Dr. Jost Eder/Jan-Hendrik vom Wege/Dr. Michael Weise/Dr. Florian Wagner
Ansprechpartner BBHC: Dr. Andreas Lied

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