Europäische Anreize für Cleantech: Der Net-Zero Industry Act ist in Kraft

Am 29.6.2024 ist der Net-Zero Industry Act (Netto-Null-Verordnung; NZIA) der EU in Kraft getreten. Der NZIA soll sicherstellen, dass die EU im internationalen Wettbewerb um sogenannte Net Zero Technology (= Netto-Null-Technologien) nicht abgehängt wird.

Ein europäischer IRA?

Sowohl die USA als auch China unterstützen die sogenannte Cleantech-Branche mit Anreizen und umfangreichen Subventionen. Mit dem NZIA als einer Säule des Europäischen Green Deals zieht die EU nun nach. Der NZIA zielt darauf ab, die Wettbewerbs- und Widerstandsfähigkeit der heimischen EU-Industrie im Bereich der Netto-Null-Technologien zu stärken. So soll die europäische Produktion bis 2030 in der Lage sein, mindestens 40 Prozent des EU-weiten Bedarfs an strategischen Netto-Null-Technologien aus europäischer Produktion zu decken. Ebenfalls bis zum Jahr 2030 soll eine jährliche Einlagerungskapazität von 50 Mio. Tonnen CO2 in der EU geschaffen werden.

Zwei Ansatzpunkte des NZIA sind zentral: die Netto-Null-Technologie und die strategischen Projekte.

Netto-Null-Technologie meint all jene Technologien, die der Energiewende dienen, indem sie nur sehr geringe, keine oder gar negative Treibhausgasemissionen verursachen. Dazu gehören Solar-, Wasserstoff- oder Energiespeichertechnologien. Erfasst sind aber unter anderem auch Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2, für nachhaltige alternative Kraftstoffe und für Kernspaltungsenergie.

Über die strategischen Projekte fördern die Mitgliedstaaten konkret die Fertigung von Netto-Null-Technologien, wenn diese zusätzliche Kriterien nach Art. 13 NZIA erfüllen, etwa Fertigungskapazitäten in Technologien schaffen, bei denen bislang mehr als die Hälfte importiert wird.

Wirkweisen des NZIA

Die industriepolitisch wohl wesentlichste Maßnahme zielt darauf ab, die Modalitäten für einen Teil der öffentlichen Ausschreibungen und Auktionen im Sinne der heimischen Wirtschaft zu verändern. Es soll nun nicht mehr allein der Preis über den Zuschlag entscheiden, sondern auch Kriterien wie Nachhaltigkeit, Resilienz und Cybersicherheit sollen einbezogen werden können. Auf diese Weise sollen grüne Leitmärkte entstehen, die indirekt die heimische Cleantech-Branche konkurrenzfähiger machen.

Daneben soll der Ausbau strategischer wie klassischer Netto-Null-Technologien beschleunigt werden. Das Verwaltungsverfahren soll gestrafft und die Dauer von Genehmigungsverfahren reduziert werden. Das Genehmigungsverfahren für strategische Netto-Null-Projekte mit einer Fertigungskapazität von weniger als 1 GW etwa soll künftig nicht mehr als neun Monate dauern, bei größeren Projekten nicht mehr als zwölf Monate. Die Genehmigung von CO2-Speicherstätten soll nicht länger als 18 Monate dauern.

Schließlich sollen spezielle Schulungsprogramme über eigene Net-Zero-Akademien dem gravierenden Fachkräftemangel in der Branche entgegenwirken. Auch die Anerkennung bereits erworbener Qualifikationen soll vereinfacht werden.

Flankiert wird der NZIA vom ebenfalls jüngst verabschiedeten Critical Raw Materials Act. Dieser zielt darauf ab, die Rohstoffabhängigkeit der EU von einzelnen Drittstaaten in besonders relevanten Wirtschaftszweigen (insbesondere im Sektor Cleantech) zu reduzieren.

Einordnung und Ausblick

Die Abhängigkeiten von Drittstaaten im Bereich der fossilen Energieträger und die wachsende Marktmacht Chinas im Bereich der Netto-Null-Technologien sind in der jüngeren Vergangenheit deutlich zutage getreten. Die EU scheint daraus ihre Lehren zu ziehen. Ob es ihr gelungen ist, in angemessener Weise zu reagieren, wird sich erst noch zeigen und auch von den Umsetzungsmaßnahmen auf nationaler Ebene abhängen.

Für Deutschland jedenfalls ist die Durchführung zeitnah angekündigt. Bundesminister Robert Habeck erklärte, er wolle „den NZIA jetzt so schnell wie möglich umsetzen, um der Industrie möglichst bald die notwendigen Impulse für den Produktionshochlauf der Netto-Null-Technologien zu geben“. Bereits ab Ende Juli 2024 soll es möglich sein, für Netto-Null-Projekte den strategischen Status zu beantragen.

Ansprechpartner:innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Dr. Christian Dessau/Carsten Telschow

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