BayWa AG als Verlierer der Amtshaftungsklage

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Der Münchner Agrarhandelskonzern BayWa AG hatte in der ersten Hälfte des Jahres eine Amtshaftungsklage gegen das Bundeskartellamt (BKartA) eingereicht (Az. 1 O 201/20). Der Konzern forderte Schadensersatz von mehr als 70 Mio. Euro, weil das BKartA in einem Kartellverfahren rechtsstaatliche Verfahrensregeln verletzt habe. Die Bonner Richter am Landgericht (LG) haben die Klage am 2.12.2020 erstinstanzlich abgewiesen.

Was war passiert?

Mit der Klage machte der Agrarhandelskonzern seinem Ärger gegen eine Entscheidung des BKartA Luft. Konkret ging es dabei um ein Verfahren der Bundesbehörde, in dessen Rahmen Abstimmungen über Preislisten, Rabatte und einige Einzelpreise beim Verkauf an Einzelhändler und Endkunden in Deutschland zum Vorschein kamen. Diese Absprachen hatten über mehrere Jahre hinweg zu einheitlichen Preislisten für betroffene Bauern geführt. Zur Aufklärung hatte das BKartA zunächst nur einige wenige Agrarhändler des vermuteten Kartells über die Ermittlungen informiert und im März 2020 die Untersuchungen auch bei der BayWa AG durchgeführt. Im Ausgang des Verfahrens wurden einzelnen Unternehmen Bußgelder teilweise vollständig erlassen oder aber erheblich reduziert.

Der Vorwurf der BayWa AG

Im Rahmen der Untersuchungen fühlte sich der Agrarhandelskonzern BayWa AG ungerecht behandelt. Auslöser der vermeintlichen Ungleichbehandlung war ein Telefonanruf des BKartA bei drei der im vermuteten Kartell beteiligten Pflanzenschutzmittelhändlern. Der habe dazu geführt, dass zwei von ihnen innerhalb weniger Stunden von der sog. Bonusregelung Gebrauch machten. Sie gibt Kartellanten die Möglichkeit, als Kronzeugen einem Kartellbußgeld zu entgehen. Die BayWa AG gehörte nicht zu diesen Unternehmen und sieht in der Entscheidung, nur bestimmte Unternehmen vorzeitig in das Verfahren einzubinden, einen willkürlichen und den Gleichheitsgrundsatz verletzenden Akt.

Die Haupttäterin informieren?

Das BKartA wies diese Vorwürfe zurück und zeigte sich verwundert. Sämtliche betroffenen Unternehmen hätten während des Verfahrens mit dem Amt kooperiert, bei der Aufklärung der Tat mitgewirkt und schließlich einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung zugestimmt. Eine verfahrensrechtlich relevante Ungleichbehandlung habe es nicht gegeben. Der Präsident des BKArtA Andreas Mundt war der Auffassung, ein solcher Anruf bei der BayWa AG sei auch gar nicht angezeigt gewesen, denn in dem eingegangenen anonymen Hinweis auf das Kartell wurde die BayWa AG als treibende Kraft dargestellt. Außerdem sei sie als einziges Unternehmen namentlich benannt worden. Sie dann als mögliche Haupttäterin über den konkreten Vorgang zu informieren, war fernliegend.

Die Quittung kam prompt

Diese Auffassung teilte die BayWa AG offensichtlich nicht. Ganz im Gegenteil: Sie machte der Behörde den fehlenden Anruf zum Vorwurf und bestand auf ihre Rechte aus Art. 3 Abs. 1 GG. Dabei hätte sie durch eigenes Zutun in den Genuss der mildernden Regelungen kommen können. Voraussetzung wäre gewesen, sich – wie jedes andere am Kartell beteiligte Unternehmen – freiwillig von seinen illegalen Taten zu distanzieren und bei der Kartellbehörde als Kronzeuge aufzutreten.

Weil die BayWa AG aber der Meinung war, das BKartA hätte durch einzelne Anrufe selbst entschieden, welches Unternehmen sich bußgeldfrei aus der Affäre ziehen kann, legte sie Klage beim LG Bonn ein. Dafür bekam sie nun die Quittung. Das Gericht stimmte der Auffassung der Bundesbehörde zu und wies die Amtshaftungsklage gegen das BKartA ab. Damit bleibt der Agrarhandelskonzern auf der Zahlung von rund 73 Mio. Euro Schadensersatz samt Anwaltskosten sitzen. Erstmal. Gegen das Urteil können noch Rechtsmittel eingelegt werden.

Es bleibt abzuwarten, ob die BayWa AG sich erneut zur Wehr setzt oder den Spruch der Bonner Richter akzeptiert.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Dr. Holger Hoch

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