BGH-Fernwärme-Urteil: Fingerzeig zur Überprüfung von Preisanpassungsklauseln

Wie berichtet, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) am 6.4.2011 in zwei Urteilen über die Frage der Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln im Wärmebereich entschieden. Jetzt liegen in einem der Urteile (Az. VIII ZR 66/09) die Entscheidungsgründe vor.

Das Urteil widmet sich drei Entscheidungskomplexen: Dem Abschluss eines faktischen Vertrages, dem Zahlungsverweigerungsrecht des Kunden und dem Prüfungsmaßstab bei der Überprüfung von Fernwärmepreisanpassungsklauseln.

Der erste Punkt – der faktische Vertragsschluss – ist letztlich eine Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung des BGH. Immer dann, wenn Wärme aus dem Versorgungsnetz entnommen wird, kommt ein Fernwärmeliefervertrag zwischen dem entnehmenden Kunden und dem Fernwärmeversorgungsunternehmen zu Stande. Inhalt des Vertrages sind die Preise (inkl. Preisänderungsklausel), die für gleichartige Versorgungsverhältnisse gelten.

Weiterhin stellt der BGH fest, dass einem Kunden, der die Preisanpassungsklausel für rechtswidrig hält und deswegen nicht zahlt, nicht das aus § 30 AVBFernwärmeV abgeleitete Schlagwort „erst zahlen, dann klagen“ entgegengehalten werden kann. Der Kunde hat in diesem Fall das Recht, die Zahlung zu verweigern, da sich diese Behauptung, die Preisanpassungsklausel sei unwirksam, unmittelbar auf die vertraglichen Grundlagen bezieht und diese auch im Zahlungsprozess des Fernwärmeversorgers zu prüfen sind.

Bei der Frage der Wirksamkeit der Preisanpassungsklausel stellt der BGH in begrüßenswerterweise fest, dass eine solche Klausel im Fernwärmebereich ausschließlich am Maßstab des § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV a.F. (gleichlautend mit dem § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV n.F.) und nicht am Maßstab des Rechtes der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 305 ff. BGB) zu messen ist und bestätigt damit die seit langem in der wissenschaftlichen Literatur herrschende Rechtsauffassung. Anders sei es nur bei Verträgen mit Industriekunden und individualvertraglich ausgehandelte Verträge, wo die AVBFernwärmeV keine Anwendung finde. Neben inhaltlichen Voraussetzungen (Kostenelement, Marktelement), auf die es in der Entscheidung nicht ankam, beinhaltet die Norm aber auch ein Transparenzgebot für Preisanpassungsklauseln. Das verlange, dass der Kunde die Berechtigung und den Umfang der auf ihn zukommenden Preissteigerungen aus der Formulierung der Klausel erkennen kann.

Dass bei der auf dem Prüfstand stehenden Klausel nicht ersichtlich sei, warum die Klausel zu 50 % an Heizöl gekoppelt sei, ist nach dem BGH zwar unschädlich. Das Transparenzgebot verlange insoweit keine Erläuterung, warum der Preis an eine bestimmte Bezugsgröße gekoppelt wird. Die Preisanpassungsklausel sei aber dann unwirksam, wenn neben Heizöl an einen Faktor angeknüpft werde, bei dem weder aus der Preisberechnungsklausel selbst noch aus den ergänzenden Angaben ersichtlich sei, wie diese Bezugsgröße ermittelt werde. Den Kunden bleibe in diesem Fall letztlich nichts anderes übrig, als die Angaben des Versorgers zur jeweiligen Höhe dieses Faktors ungeprüft zu übernehmen. Dies sei vor dem Hintergrund des Transparenzgebots unzulässig.

Ansprechpartner: Stefan Wollschläger/Ulf Jacobshagen

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