„Klimaneutralität“ und Kompensationszahlungen: Anforderungen der europäischen Anti-„Greenwashing“-Richtlinie

Die Anforderungen an Werbung mit umweltbezogenen Aussagen steigen. Erst am 27.6.2024 hatte der Bundesgerichtshof im „Katjes“-Urteil (Az.: I ZR 98/23) strenge Maßstäbe für die Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ formuliert. Die europäische Anti-„Greenwashing“-Richtlinie könnte die Regeln für das Werben mit „Klimaneutralität“ bei Kompensationszahlungen weiter verschärfen.

Hintergrund und Ziel der „Green Claims“-Richtlinie

Die Aussage, „grün“ und nachhaltig zu sein, hat sich zu einem klaren Wettbewerbsfaktor entwickelt. Umweltfreundliche Produkte verzeichnen ein größeres Wachstum als „Standardprodukte“ und gelten zudem als maßgeblicher Faktor für die Transformation der Europäischen Union hin zu einer umweltfreundlichen Wirtschaft und Gesellschaft. Der uneinheitliche rechtliche Rahmen durch Privatinitiativen und die Mitgliedstaaten erschwert allerdings zunehmend den Handel im Binnenmarkt, weil Marktakteure immer häufiger nicht einschätzen können, ob Umweltaussagen vertrauenswürdig sind oder nicht. Nach einer Studie aus dem Jahr 2020 enthielten mehr als die Hälfte der Umweltaussagen vage, irreführende oder unbegründete Informationen. In einer Eurobarometer-Umfrage stimmten auch 90 Prozent der befragten Verbraucher*innen zu, es solle strengere Regeln bei der Berechnung von Umweltauswirkungen und damit zusammenhängenden Umweltaussagen geben (a.a.O.).

Den Vorschlag für eine „Green Claims“-Richtlinie legte die Kommission am 22.3.2023 vor. Nach der legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12.3.2024 in erster Lesung zum Vorschlag der Kommission, die zahlreiche Änderungen vorsah (COM(2023)0166 – C9-0116/2023 – 2023/0085(COD)), erfolgte am 17.6.2024 die Festlegung des Rats auf einen Standpunkt zur Richtlinie über Umweltaussagen (2023/0085(COD)). Damit treten die europäischen Institutionen nun ins „Trilog-Verfahren“ ein, an dessen Ende der endgültige Richtlinienentwurf zu erwarten ist, den Parlament und Rat dann noch förmlich annehmen müssen. Ziel der Richtlinie ist es vor allem, für den gemeinsamen Binnenmarkt klare, zuverlässige, vergleichbare und überprüfbare Standards für Umweltaussagen aufzustellen.

Was kommt auf Unternehmen zu?

Der Entwurf der „Green Claims“-Richtlinie sieht vor, dass Unternehmen sich künftig einer ex-ante-Überprüfung durch hierfür akkreditierte Stellen unterziehen müssen, wenn sie mit Umweltaussagen werben oder Umweltzeichen für die Kennzeichnung von Produkten verwenden wollen. Überprüft werden soll, ob bei der Verwendung der Umweltaussagen und -zeichen klare Kriterien und der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand zugrunde gelegt werden. Die Werbeaussagen müssen dabei klar und leicht verständlich sein und deutlich machen, auf welche Umwelteigenschaft sie sich beziehen (Haltbarkeit, Recyclingfähigkeit oder Biodiversität). Zudem sollen bestimmte Mindestanforderungen für ausdrückliche Umweltaussagen und -zeichen eingeführt und die Irreführungstatbestände erweitert werden. Auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollen – anders als „Kleinstunternehmen“ – von der Überprüfungspflicht erfasst sein. Die Prüfstellen sollen eine Konformitätsbescheinigung ausstellen, die es Mitbewerbern und Verbraucher*innen erleichtert, die Einhaltung der entsprechenden Anforderungen nachzuvollziehen, und Unternehmen Rechtssicherheit bei der Verwendung von Umweltaussagen bietet. Dennoch sollen auch ex-post-Überprüfungen möglich sein.

In diesem Zusammenhang hat der Rat zuletzt Erleichterungen vorgeschlagen. Für weniger komplexe Umweltaussagen soll ein vereinfachtes Verfahren gelten und Unternehmen sollen hier selbst darlegungsberechtigt sein. Zudem setzt der Rat einen größeren Schwerpunkt auf Nachhaltigkeits- und Umweltzeichen. Neue regionale Umweltzeichen sollen nur eingeführt werden dürfen, wenn sie einen Mehrwert gegenüber bereits bestehenden Zeichensystemen darlegen können. Nationale und regionale Umweltzeichensysteme nach EN ISO 14024 Typ I sollen dagegen keine Überprüfung wahrnehmen müssen, soweit sie in den Mitgliedstaaten anerkannt sind.

Bei Verstößen drohen erhebliche Sanktionen. Wettbewerbsrechtliche Instrumente umfassen dabei etwa das Vorgehen von Mitbewerbern und Verbraucherschutzorganisationen mittels Abmahnungen, strafbewehrten Unterlassungserklärungen und einstweiligen Unterlassungsverfahren. Zu den behördlichen Maßnahmen gehören Geldbußen von bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes, die Beschlagnahmung bzw. Einziehung von Produkten und Einnahmen/Gewinnen sowie der Ausschluss von allen öffentlichen Vergabeverfahren von bis zu 12 Monaten.

Sind Kompensationsmaßnahmen zukünftig noch ausreichend?

Durch die im März 2024 erlassene „Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“ (Richtlinie (EU) 2024/825) wurde die unlautere Geschäftspraktiken-Richtlinie (Richtlinie (EG) 2005/29) unter den im Anhang I aufgeführten „Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter gelten“ um eine Nr. 4c ergänzt, die explizit Bezug zu Kompensationsmaßnahmen nimmt. Danach soll verboten sein, (ohne Weiteres) eine Aussage zu treffen, dass ein Produkt hinsichtlich der THG-Emissionen neutrale, verringerte oder positive Auswirkungen auf die Umwelt habe, wenn sich die Aussage (allein) auf die Kompensation von THG-Emissionen gründet.

Ein völliges Verbot für klimabezogene Umweltaussagen bei CO2-Kompensationen wird hieraus aber voraussichtlich nicht folgen. Nach dem bisherigen Entwurf der Green Claims Richtlinie sollen Unternehmen, die mit klimabezogenen Umweltaussagen werben wollen, zudem alle CO2-Kompensationen bzw. CO2-Gutschriften separat als zusätzliche Umweltinformation – unabhängig von allen sonstigen Treibhausgasemissionen – ausweisen müssen. Weiter muss angegeben werden, ob sich die Kompensation auf Emissionsminderungen oder eine Entziehung von Treibhausgasen (Carbon Capture and Storage) bezieht. Die korrekte Anrechnung der zugrundeliegenden Kompensationen soll eine Doppelanrechnung der Kompensationen verhindern. Das Parlament hat in seiner geänderten Annahme die Anforderungen an die entsprechende Darlegung verschärft und vorgesehen, dass die Kommission weitere Anforderungen in delegierten Rechtsakten festlegen können soll.

Damit dürfte der Einsatz von Kompensation bzw. CO2-Gutschriften nach der „Green Claims“-Richtlinie zwar grundsätzlich zulässig sein, die Anforderungen an die Darlegung im Überprüfungsverfahren und die Transparenz gegenüber Verbraucher*innen werden aber stark erhöht. Die den CO2-Gutschriften zugrundeliegenden Kompensationsprojekte werden so einer eingehenden Untersuchung und rechtlichen Bewertung unterzogen werden müssen, um den Vorgaben zu genügen. Daneben muss dann auch die absolute Grenze des neuen Nr. 4c des Anhangs I zur UGP-Richtlinie beachtet werden.

Gleichzeitig schafft die „Green Claims“-Richtlinie verlässliche und für alle Wettbewerber im Binnenmarkt verbindliche Regeln, die mehr Rechtssicherheit und Fairness bei der Vermarktung umweltfreundlicher Produkte versprechen. Unternehmen, die in die Umstellung auf umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen investieren, schützt die Richtlinie so vor unlauteren Wettbewerbern.

Ansprechpartner*innen: Dr. Martin Altrock/Christoph Lamy/Dr. Anna Dost/Vincent Gronbach

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