Bundeskartellamt veröffentlicht Jahresbericht 2023/24: Entwicklungen in der Energie- und Digitalwirtschaft

Am 26.6.2024 hat das Bundeskartellamt (BKartA) seinen „Jahresbericht 2023/24“ vorgestellt. Tätigkeitsschwerpunkte des Amtes lagen u.a. in den Bereichen der Energie- und Digitalwirtschaft.

Energiewirtschaft

Einen Fokus legte das BKartA im Bereich der Energiewirtschaft auf die Missbrauchskontrolle.

Wegen des Verdachts auf missbräuchlich überhöhte Preissteigerungen im Zeitraum von Januar 2021 bis September 2023 hat das BKartA im November 2023 Pilotverfahren gegen sechs Fernwärmeversorgungsunternehmen eingeleitet. Dabei prüft es, ob die in den Lieferverträgen verwendeten Preisanpassungsklauseln womöglich nicht den Vorgaben der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) entsprochen und zu überhöhten Preisen auf Verbraucherseite geführt haben könnten. Dies könne der Fall sein, wenn die realen Kosten und Marktpreisentwicklungen durch die Auswahl der Preisindizes nicht angemessen abgebildet werden. Die Verfahren laufen noch.

Seit Mai 2023 hat das BKartA zudem bislang 70 Prüfverfahren gegen Versorgungsunternehmen im Rahmen der Preisbremsen für die Strom-, Erdgas- und Wärmeversorgung eingeleitet. Dabei werden staatliche Entlastungsbeträge in Höhe von rund 3,9 Mrd. Euro untersucht (ca. 14 Prozent der insgesamt von allen Unternehmen abgerufenen Beträge). Ein Anfangsverdacht ist für die Aufnahme von Prüfverfahren des BKartA bei Preisbremsen nicht erforderlich. Eine abschließende Beurteilung soll es erst nach den Endabrechnungen im Jahr 2025 geben.

Ende 2023 haben das BKartA und die Bundesnetzagentur ihren gemeinsamen Monitoringbericht veröffentlicht. Demnach hat die Marktkonzentration bei der Stromerzeugung, bezogen auf die Marktanteile der fünf absatzstärksten Unternehmen gegenüber dem Vorjahr, abgenommen. Nach dem letzten Marktmachtbericht des BKartA vom August 2023 ist RWE aber weiterhin der größte Stromerzeuger und sei damit eindeutig in marktbeherrschender Stellung. EnBW und LEAG seien allerdings nahe an die Vermutungsschwelle für Marktbeherrschung herangerückt. Für die Märkte der Strom- und Gasbelieferung an Endkunden sei hingegen davon auszugehen, dass kein Anbieter marktbeherrschend ist, auch wenn die Anzahl der Strom- und Gaslieferantenwechsel deutlich gesunken ist.

Auch im Bereich der Fusionskontrolle war das BKartA im Jahr 2023 wieder gut beschäftigt, wobei auch bedeutsame Zusammenschlüsse von Energieversorgern geprüft wurden. Im April 2024 gab das BKartA die Übernahme des von Vattenfall in Berlin betriebenen Fernwärmenetzes durch das Land Berlin frei. Insgesamt, d.h. über alle Branchen hinweg, hat das Bundeskartellamt im Jahr 2023 rund 800 Fusionen geprüft. Sieben Zusammenschlüsse sind in der sogenannten zweiten Phase vertieft geprüft worden.

Digitalwirtschaft

Die Digitalwirtschaft ist seit Jahren ein Schwerpunkt in der Untersuchungstätigkeit des BKartA. Der im Jahr 2021 novellierte §19a GWB ermöglicht es dem BKartA, bestimmte wettbewerbsgefährdende Praktiken von Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung zu untersagen. Eine solche Bedeutung hat der BGH kürzlich für Amazon bestätigt (Beschluss v. 23.4.2024 – KVB 56/22). Verfahren auf Basis dieser Vorschrift wurden bislang gegen Meta/Facebook, Alphabet/Google, Apple und Amazon eingeleitet. Teilweise haben diese Verfahren auch konkrete Verbesserungen bewirkt, etwa bei der Datenverarbeitung von Google.

In Bezug auf künstliche Intelligenz beobachtet das BKartA weiterhin die Einflussnahme Microsofts auf den Entwickler des Chatbots ChatGPT, OpenAI. Eine Prüfung im vergangenen Jahr hat ergeben, dass die Kooperation der beiden Unternehmen nicht unter die fusionskontrollrechtliche Anmeldepflicht fällt.

In der Mobilfunkbranche prüft das BKartA eine Beschwerde der 1&1 Mobilfunk GmbH, bei der es um die Verzögerung der Bereitstellung gemieteter Antennenanlagen durch die mit der Vodafone GmbH verbundenen Vantage Towers AG geht. Zudem gab das BKartA den Erwerb von jeweils zehn Prozent der Anteile an der europäischen Tochter der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) durch Bosch, Infineon und NXP frei.

Ansprechpartner: Dr. Tigran Heymann/Dr. Holger Hoch

Ansprechpartner*innen Kartellrecht: Dr. Anna Lesinska-Adamson/Martin Miosga

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