Mit Tempo in die Tiefe: Vorschläge zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für die Nutzung von Erdwärme

Bis 2030 soll die Hälfte des Wärmebedarfs und bis 2045 der gesamte Wärmebedarf klimaneutral erzeugt werden. Geothermie als eine ganzjährig und stetig verfügbare Wärmequelle kann dazu beitragen, diese Ziele zu erreichen. Dafür braucht es allerdings mehr Tempo beim Ausbau. Ein Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) will genau dafür sorgen.

Ziel des Gesetzentwurfs

Mit dem Entwurf für ein „Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Geothermieanlagen, Wärmepumpen und Wärmespeichern sowie weiterer rechtlicher Rahmenbedingungen“ will das BMWK das energetische Potenzial der Geothermie effizienter nutzen und den Ausbau von Wärmepumpen erheblich beschleunigen. Bestehende genehmigungsrechtliche Hemmnisse sollen durch Digitalisierungsvorgaben, die Verkürzung behördlicher Fristen und die Reduzierung von Genehmigungsanforderungen abgebaut werden. Verfahrensdauern im Bereich der Geothermie sollen so halbiert werden.

Neben der Beschleunigung gerichtlicher Verfahren soll ein neues sog. Stammgesetz, das „Gesetz zur Beschleunigung der Genehmigung von Geothermieanlagen, Wärmepumpen sowie Wärmespeichern (GeoWG)“, verabschiedet und Änderungen im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) sowie im Bundesberggesetz (BBergG) sollen beschlossen werden.

Die wichtigsten Vorschläge des GeoWG

Das GeoWG soll laut Entwurf die Zulassung und Genehmigung von geothermischen Anlagen beschleunigen, indem es rechtliche Rahmenbedingungen für die Nutzung der Erdwärme festlegt.

Was sind die zentralen Vorschläge? Der Anwendungsbereich des GeoWG soll sich auf Anlagen zur Gewinnung von Tiefengeothermie, von oberflächennaher Geothermie, Wärmepumpen sowie Wärmespeichern und die jeweils dafür erforderlichen Bohrungen erstrecken. Die gängige Differenzierung, wonach oberflächennahe Geothermie bei 400 m Tiefe endet und sich die Tiefengeothermie daran anschließt, könnte mit den vorgeschlagenen Begriffsbestimmungen erstmals gesetzlich Niederschlag finden.

Des Weiteren sollen die Errichtung und der Betrieb einer Anlage i. S. d. GeoWG „im überragenden öffentlichen Interesse“ liegen – zumindest bis zum Erreichen der Netto-Treibhausgasneutralität im Jahr 2045. Die Einordnung als im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegend ist bereits aus anderen Gesetzen bekannt, u.a. aus § 2 Abs. 3 Wärmeplanungsgesetz (WPG) und § 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Insbesondere § 2 EEG hat, vermittelt durch die Rechtsprechung, dafür gesorgt, dass sich das Interesse an Errichtung und Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gegenüber anderen Belangen (z. B. dem Denkmalschutz) durchsetzen kann. Die Ergänzung im GeoWG erstreckt das überwiegende öffentliche Interesse nun auch auf diese Art der Wärmenutzung.

Beim Einsatz von Erdwärmepumpen kann die Beeinträchtigung von Nachbarn aber potenziell zu Konflikten führen. Deshalb sieht der Entwurf vor, dass künftig eine wesentliche und somit eine (über das Privatrecht) abwehrfähige Beeinträchtigung eines Nachbargrundstücks nur dann vorliegt, wenn sie eine Veränderung von über sechs Kelvin zur Untergrundtemperatur überschreitet und zudem eine bestehende oder konkret geplante Nutzung des Nachbargrundstücks unmöglich macht oder wesentlich erschwert.

Außerdem sollen Rechtsbehelfe gegen Zulassungsentscheidungen keine aufschiebende Wirkung haben und ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss innerhalb eines Monats gestellt und begründet werden. 

Änderungen des BBergG

Die Aufsuchung und Nutzung von Geothermie fällt zumeist in den Anwendungsbereich des BBergG. Daran ändern auch die im Entwurf enthaltenen Vorschläge nichts. Dennoch könnte sich Einiges bewegen.

Interessant ist zunächst der Vorschlag zu § 127 BBergG. Derzeit muss eine Bohrung, die mehr als 100 m in den Boden eindringt (und nicht schon unter andere Vorschriften des BBergG fällt) dem zuständigen Bergamt angezeigt werden. Daraufhin kann die Behörde einen bergrechtlichen Betriebsplan anfordern, wenn sie diesen für erforderlich hält. Nach dem neuen Entwurf hätte die Behörde hierfür grundsätzlich („soll“) nur noch vier Wochen Zeit. Nach acht Wochen soll ihr die Anforderung eines Betriebsplans dann (zwingend) „verwehrt“ sein.

Änderungen zur Betriebsplanpflicht sollen den Besonderheiten bei der Erdwärmenutzung angemessener als bisher Rechnung tragen.

Zudem sollen Äußerungs- und Entscheidungsfristen der Behörde verkürzt und die Kommunikation in elektrischer Form gestärkt werden.

Änderungen des WHG

Änderungen des WHG sollen die u. a. die dem Wasserrecht immanente Systematik des sog. repressiven Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt erfassen. Für Großwärmepumpen, die nach dem derzeitigen WHG der Anzeigepflicht nach § 49 WHG unterfallen und regelmäßig einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung bedürfen, fingiert der Gesetzesentwurf eine Erlaubnis, wenn sich die zuständige Wasserbehörde nicht innerhalb eines Monats nach der wasserrechtlichen Bohranzeige zurückmeldet. Außerdem wird sowohl die Nutzung von Wärme aus dem Grundwasser durch eine Wärmepumpe – sofern dies der Wärmeversorgung eines Haushalts dient – als auch das Einbringen von Stoffen in das Grundwasser zur Wärmeversorgung des Haushaltes über Anlagen zur Nutzung oberflächennaher Geothermie als erlaubnisfreie Benutzung des Grundwassers eingestuft. Letzteres gilt zumindest, soweit keine signifikanten nachteiligen Auswirkungen auf den Wasserhaushalt zu besorgen sind.

Ausblick

Länder und Verbände können noch bis zum 17.7.2024 Stellung nehmen. Es dürfte eine intensive Diskussion zu einigen Vorschlägen geben. Dabei könnte sich ein Blick auf die Vorgaben in Nachbarländern lohnen. Auch die Schweiz, Österreich oder die Niederlande unterscheiden z. B. nach oberflächennaher und tiefer Geothermie. Klar ist: Ohne Änderungen wird es keinen beschleunigten Ausbau der Erdwärmenutzung geben.

Ansprechpartner*innen: Andreas Große/Dr. Heiner Faßbender/Dr. Anna Seuser/Sina Jakob/Samira Hentschel/

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