FG Düsseldorf zur Stromsteuerbegünstigung für „Strom zur Stromerzeugung“ bei Abfallverbrennungsanlagen

Bei der Stromsteuer gilt der Grundsatz, dass der erzeugte Strom versteuert wird, während der Kraftwerkseigenverbrauch steuerfrei ist. Aber wie ist das bei Müllverbrennungsanlagen, die den erzeugten Dampf in einer Turbine ebenfalls zur Stromerzeugung nutzen? Seit Jahren diskutiert die Branche darüber, ob und in welchem Umfang dieser sog. Strom zur Stromerzeugung von der Stromsteuer befreit ist. Aus Sicht der Anlagenbetreiber handelt es sich um Stromerzeugung, so dass nichts anderes als bei konventionellen Anlagen gelten kann. Aus Sicht der Zollverwaltung steht die Müllverbrennung im Vordergrund, so dass nur ein kleiner Teil des Anlagenverbrauchs begünstigt sein soll. In einem ersten Urteil (Az. 4 K 766/22) hat das FG Düsseldorf nun den Anlagenbetreibern Recht gegeben.

Differenzierung in Haupt- und Nebenzweck

Die Regelung, um die gestritten wird, ist die Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG. In ihrem Informationsschreiben zur steuerbegünstigten Entnahme von Strom zur Stromerzeugung vertritt die Generalzolldirektion die Auffassung, es handle sich bei solchen Anlagen nicht um „klassische Stromerzeugungsanlagen“. Vielmehr unterscheidet die Zollverwaltung in Haupt- und Nebenzweck, wobei die Verbrennung vorrangig die Abfallentsorgung und nicht die Stromerzeugung bezwecke. Der Stromverbrauch für die Abfallverbrennung sei eine „Sowieso-Entnahme“ von Strom in der Anlage und daher nicht begünstigungsfähig. Wie genau zwischen den Zwecken zu unterscheiden ist, war allerdings ein weiterer Streitpunkt in der Praxis.

Kriterium ohne gesetzliche Grundlage

Aus den einschlägigen Regelungen – insbesondere § 12 StromStV – ergibt sich für diese Ansicht allerdings keine gesetzliche Grundlage. Der Stromerzeugungsprozess wurde bislang (nur) technisch betrachtet und umfasste alle Neben- und Hilfsanlagen, die für die Stromerzeugung betriebsnotwendig waren. Das FG Düsseldorf hat das nun bestätigt. Eine Unterscheidung von unterschiedlichen Zwecken ergebe sich weder aus den nationalen gesetzlichen Regelungen noch aus der europäischen Energiesteuerrichtlinie (RL 2003/96/EG). Nach Ansicht des Gerichts komme es unabhängig vom eingesetzten Brennstoff (d.h. Müll oder fossiler Brennstoff) maßgeblich auf den technologischen Prozess der Stromerzeugung an. Folglich sind thermische Abfallverwertungsanlagen mit Stromerzeugung wie jede andere (konventionelle) Stromerzeugungsanlage zu behandeln.

Begünstigte Anlagen und Quotelung

Im Ergebnis sind also sämtliche Verbräuche des Stromerzeugungsprozesses zu beachten, angefangen von der Beförderung des Mülls in den Bunker über die Verbrennung bis hin zur Stromerzeugung in der Turbine. Eine Einschränkung macht das Gericht allerdings: Da in dem zu entscheidenden Fall – wie wohl regelmäßig in derartigen Anlagen – neben Strom auch Dampf für die Fernwärmeversorgung erzeugt und genutzt wird, sind die grundsätzlich begünstigten Einheiten quotal anhand des energetischen Outputs aufzuteilen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine unmittelbare, ausschließliche Zuordnung zur Stromerzeugung nicht möglich ist. Denn das Gericht vertritt die Ansicht, dass die einzelnen Verbrauchseinheiten zwei Zielen dienen: der Dampferzeugung für die Fernwärme und der Stromerzeugung. Die Stromentnahme könne aber nur insoweit befreit sein, wie sie (anteilig) der Stromerzeugung diene.

Bestätigung des Bundesfinanzhofs noch offen

Das Urteil des FG Düsseldorf ist noch nicht rechtskräftig. Die Zollverwaltung hat Revision eingelegt und so wird der Bundesfinanzhof das letzte Wort haben. Der Streit ist also noch nicht beendet und viele laufende Einsprüche und Verfahren werden noch einige Zeit bei den Hauptzollämtern ruhen. Aufgrund der neuen Tendenzen der Rechtsprechung sind alle Anlagenbetreiber aber gut beraten, ihre Chancen auf eine (spätere) Steuererstattung schon jetzt offenzuhalten. Ob darüber hinaus auch die Zollverwaltung ihre Praxis anpasst und das öffentliche Informationsschreiben ergänzt, bleibt abzuwarten.

Ansprechpartner*innen: Niko Liebheit/Jennifer Diane Morgenstern/Martin Dell

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